Kinderfeindliches Deutschland

Kinder sind auch nur Menschen – allerdings eben unfertige.
Eltern sind auch nur Menschen – allerdings eher fertig im Sinne von kaputt, groggy, matsch.

Gern wird ja Deutschland als ein kinderfeindliches Land dargestellt, die Reproduktionsquote ist die niedrigste in ganz Europa, knapp schlechter als im katholischen Polen, wo einst zum Besuche Papst Benedikt XVI Kondom- und Tamponwerbung entfernt wurde, die Betreuungsquote in den Kitas ist mau, die Einrichtungen gehen am finanziellen Krückstock, Erzieher sind schlecht bezahlte, stets kurz vor dem Burnout stehende Idealisten, Lehrer gehen früher in Rente als Straßenbauarbeiter oder Unfallchirurgen, und sollte irgendwo ein neuer Spielplatz geplant sein, können Sie mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Proteste nicht lange auf sich warten lassen. Schuld sind immer die Kinder, denn die schreien und heulen ja permanent rum, werfen sich auf den Boden des Supermarktes, wenn sie kein Ü-Ei bekommen, haben immer was zu motzen, speziell wenn sie vor Mitternacht in Bett sollen und es nicht jeden Tag Pizza, Pommes, McIrgendwas und ein neues Handy gibt …

Samstag mittags den ÖPNV zu nutzen, birgt ein gewisses Risiko, nicht etwa Rentner oder Schulkinder aber sind das Problem, sondern Kinderwägen! Ja,  auch die Transportmittel der nervigen Blagen sind schon Grund genug, an die Decke zu gehen.  Das große Einkaufszentrum auf der Grünen Wiese ist nur via Bus zu erreichen, selbiger weist mittig einen Stellplatz für zwo Kinderwägen auf – was glauben Sie, was passiert, wenn dieser Platz tatsächlich mal dafür genutzt wird, wofür er angedacht ist? Sie denken jetzt: „Naja, nix?“ – Sie haben Unrecht! Frühen waren Kinderwägen funktionale Transportmittel, sie nahmen das Kind auf, vll. noch einen Beutel Einkäufe, heute sind es Hightech-Monster, die größer sind als ein Smart, schwerer als ein Sumoringer, komfortabler als ein alter Maybach. Deswegen nehmen sie mehr Platz ein, als es die Ingenieure vor Jahren, als der Mercedes-Bus gebaut wurde, es errechnet hatten.  Deshalb nun wiederum wird es eng in der Mitte des Busses, doch statt die jungen Mütter zu fragen, ob sie sich mal kurz dünnmachen würden, statt sich an den Wägen vorbeizuschlängeln, tendiert der arme ÖPNV-Gast dazu, murrend,  knurrend, sardinendosenartig zu verharren und sich bis zum Ausstiege innerlich darüber aufzuregen, was es doch für eine Schweinerei mit dem Platz sei, um dann am Zielort böse Blicke zu werfen und einem entspannt den Klängen von Tunnel Trance lauschenden, gerade auf dem Wege zur neuen Laser-Maus befindlichen Politologen das Leid von der Ungerechtigkeit der Welt zu klagen. Dass eben dieser Politologe sich die ganzen, uuuuuunendlichen langen 9 Minuten köstlich amüsierte und nur mit Müh‘ nicht in ein Lachen ausbrach, weil er den Slapstick, die Realsatire der gebotenen Unfähigkeit zu einer gescheiten Kommunikation kaum glauben konnte, wurde natürlich nicht wahrgenommen, und als er sich dann kopfschüttelnd abwendet, wird dies als doppelte Ungerechtigkeit empfunden.

Ich frage mich auch jetzt noch, wie es dazu kam, dass im Heck des Busses ein Dutzend Plätze vakant blieben, obwohl nur zwo junge Mütter samt Kinderwägen im Wege zum geruhsamen Platz standen. Ist es zu viel erwartet, dass die Mütter kurz Bäuche und Brüste einziehen? Dass sie mit dem Einladen der Kinderwägen vll. eine halbe Minuten warten, damit die anderen Fahrgäste bis zu den hinteren Sitzreihen vordringen können? Dass die stehenden Fahrgäste simpel und zeitsparend um eine kleine Kooperation bei der Passage bitten? Dass jene, die eine 2er-Sitzbank mit Rucksack oder Handtasche in Gänze okkupieren, das Anhängsel auf ihren Schoß nehmen, um somit einen Sitzplatz freizugeben? Dass der Fahrer eine kleine Durchsage macht?

Es ist nicht die Aversion gegen die unfertigen Menschen, es ist die Aversion gegen die fertigen Menschen, die dafür sorgt, dass Deutschland so kinderfeindlich erscheint.  Fertig sind die Menschen – allein mit den Nerven. Nicht ob schreiender Kinder, sondern ob der Tatsache, dass deren Eltern nicht befähigt sind, den Kindern ein gescheites Verhalten zu lehren, auch und vor allem weil sie es selbst nie gelernt haben. Die Quote der unentdecken Genies steigt ins Unermessliche, Schuld sind stets die anderen, die eigenen Kinder aber sind „gut gelungen, nur ein bisschen faul und vielleicht ein bisschen wild“. Potenzial gibt’s immer unendlich viel, aber die Kinderfeindlichkeit hier in Deutschland verhindert halt alles … und immer … und so … und überhaupt … und vor allem …

Guten Morgen Bürger, wem willst Du heute in den Podex treten? Trittst Du noch oder denkst Du schon? Wann wirst Du einsehen, dass es keine Kinderfeindlichkeit, sondern eine simple Menschenfeindlichkeit gibt?

Sie denken, die Erde könnte in 20 oder 30 Jahren massiv an einer Überbevölkerung leiden? Wenn Sie bei dieser Meinung bleiben wollen, meiden Sie den ÖPNV!