... aber sowas von trendy!


Ein „Trend“ ist eine Tendenz, eine Art Mode, eine Richtung, in die sich etwas entwickelt und dieses „Etwas“ ist so mannigfaltig wie der Mensch selbst. Deshalb ist es auch so schade, dass Trends so oft in Perversionen und Stumpfsinn enden. Klingt fies? Nein, realistisch.

Ein „Trend-Scout“ ist eine Person, die ihr Leben damit verbringt, neue Trends zu finden. Dabei geht der TS in hippe Lokale, neue Clubs, durchstöbert ausländisches Fernsehen, schaut bei Werbe- oder PR-Agenturen vorbei und mit etwas Glück entdeckt er sogar einen Trend. Tamagotchi, Pokemon, Reality-Soaps, Sushi und den Buddhismus zum Bleistift. Ja, Bleistift, das war vor 10 Jahren mal Trend, denn „Beispiel“ konnte ja jeder sagen. Irgendwann kam dann auch „zum Buntstift“, aber mit so was kann man kein Geld verdienen. Wohl aber mit rohem Fisch, billigem Spielzeug und Verdummungsmechanismen. Ob man hierbei dem White-Trash ein Forum gibt und ihn abzockt oder dem White-Trash ein Forum gibt und ihn abzockt oder aber White-Trash das Gefühlt gibt, trendy zu sein um ihn dann abzuzocken, ist egal, weil nämlich das Gleiche. Aber bevor Sie, lieber Leser, denken, Trends wären immer Abzocke oder ein weiterer Nagel zum Sarge der Menschheit, seien Sie an Web-Blogs, Satire, das politische Kabarett oder Öko-Nahrung erinnert. Dies ging nämlich von schlauen Menschen aus. Von Plato bis Pispers, von Aristoteles bis Algengrütze. Kann man aber leider auch nicht viel Geld damit verdienen. Außer natürlich man „hyped“ es, was aber auch allein durch Mundpropaganda nicht funktioniert. Und die Folgen? Mittermeier wird als Kabarettist tituliert und Öko-Eier sind verseucht. Ein Realist, wer Böses dabei denkt. Oder besser gesagt: die größten Misanthropen sind immer noch die Realisten.

Deswegen halte ich wohl auch nichts von der Demokratie.

Oder Holger Apfel.

Oder RTL.

Doch zurück zum Thema. Entdeckt man frühzeitig einen Trend und investiert man Zeit und Geld, so kann man eine Menge Profit damit machen. Das war bei den Sekten vor 2000 Jahren nicht anders, als bei RTL2 heute. Christentum hin, Bush her, Peep-Shows hier, BigBrother da. Es folgt alles der gleichen Logik. So simpel und doch so gefährlich. Und nein liebe Christen, das geht nicht „euch“, es soll vielmehr als ein Beispiel dienen, als Parade-Exemplar eines Trends: die falschen Generalisierung.
„Die“ Christen gibt es genau so wenig wie „die“ Deutschen, „die“ Amerikaner, „die“ Moslems und „die“ Tuxer. Und weil es so schön ist, verrate ich Ihnen gleich noch, dass es nicht einmal „das“ Volk gibt. Es ist stets eine enorm heterogene Masse, vielfältig, individuell, flexibel und kreativ. Klingt toll oder? Aber wer sagt denn, dass „kreativ“ nicht auch „unglaublich ey, wie pervers man sein kann“ heißen kann? Oder „individuell“ nicht einfach „ick gloobe, ick bin indivi … induvi … ähm … indiell“ bedeutet? Womit wir wieder am Anfang der These wären, denn es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Glauben Sie nicht? Ist aber so, denn sonst wäre es ein Kreis. Haben Sie schon mal mit einem Kreis bezahlt? Oder einem Dreieck? Ha! Es gibt auch nette Moslems, freundliche englische Fußballfans und sogar intelligente Amerikaner.

Woher kommt eigentlich die „Öko-Bewegung“? Eine alte Idee? Tradition? Brauch? Totaler Quatsch! Es war eine notwendige Reaktion auf die aktuelle Situation. Industrialisierung sei Dank stand der Mensch recht schnell vor einem neuen Phänomen: er konnte plötzlich nicht mehr alles verdrecken und zumüllen, ohne direkt die Folgen zu spüren. Und so tat der Mensch das, was er immer tat: er suchte eine Lösung. Und der Mensch tat, was er immer tat: er fand keine gescheite, vielmehr einen miesen Kompromiss. Achja, und natürlich Einbildung, Glaube und Hoffnung. Letzteres ist übrigens OK. Letzteres!

Zu philosophisch? Zu langweilig? Hey, ich bin flexibel. Wenn Sie durchhalten, können sie in den nächsten paar Minuten was über große Möpse, missratene Kinder und die neusten Mode-Trends erfahren. Bleiben Sie stark!

Das Jahr 2005 brachte einige Trends mit sich, OK, sagen wir es so: der Knüppel wurde herausgeholt, um uns die Trends einzuprügeln. Nehmen wir z.B. mal N24: angedacht als Konkurrenz zu N-TV, also einem „Rund-um-die-Uhr-Nachrichtensender“. Vor 7 Jahren funktionierte das noch recht gut, natürlich hat man eine recht kleine, spezielle Klientel, aber das hat auch seine Vorteile: Spezialisierung, Professionalisierung, höhere Qualität, mehr Tiefe. Und was ist geblieben? Georg Gaffron spuckt Gift und Galle, weil Schröder das Ozonloch nicht gestopft hat und eigentlich ja die Arbeitlosen dran schuld sind, Janine Kunze und Bernhard Hoecker testen Supersportwagen, Dieter Kronzucker gibt seinen Namen für Billig-Reportagen und Wiederholungen her und in gewohnter Tradition kommen Anfang Mai und Anfang Dezember die peinlichsten Lobhudeleien über die US-Helden des 2. Weltkrieges, sowie wöchentlich die tollsten Aufnahmen der ach-so-präzisen Smart-Bombs und wie sie ganz sauber Saddams Bunker wegfegen. Das Ganze wird dann noch mit Wellness- und Wissens-Reportagen (dazu gleich mehr) garniert. Was man bekommt ist eine lauwarme, geschmacklose, pardon geschmacksneutrale Suppe, in der man die Fettklümpchen der Wahrheit nur noch mit der Lupe erkennen kann. Der Gedanke, dass es scheinbar nicht möglich ist, rund um die Uhr „Nachrichten“ zu bringen, hängt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der denkenden Zuschauer. „No-News“ wurde geschaffen. Ein ganz fieser Trend: es wird so getan, als wären es Nachrichten. Erkennt man auch prima daran, dass am Tage eines heftigen Terror-Anschlages im Irak die Hauptnachrichten mit „Unfall auf der A9“ aufmachen und die erneute Schwangerschaft von Heidi Klum mehr Sendezeit bekommt, als der verfassungswidrige Haushalt der EU. Klatsch, Society-News und Infotainment dominieren das Bild, die eigentliche Aufgabe lässt man links liegen.
Gefahrenstufe: sozial-destruktiv.


Wissens-Reportagen passen da prima ins Bild: wo ARD und ZDF mit der Knoff-Hoff-Show, Quarks und Co. oder WiSo vor / seit Jahren richtig gutes Fernsehen abliefern, wälzen sich nun „Welt der Wunder“, „Galileo“, „Money Trend“, „Planetopia“ oder „K1 Journal“. Das Konzept ist simpel: hier und da ein Fremdwort, dazu eine nette Stimme aus dem Off, ein Gewinnspiel (natürlich mit Werbung versehen) und viel Leerlauf. Und so erfährt der Zuschauer in „Abenteuer Leben“, einem spannend klingenden Titel, wie Ketchup hergestellt wird. Wow! Echt abenteuerlich! Und weil es so schön ist, kommt der gleiche Bericht am nächsten Tag bei „SAM“, dann bei Galileo und letztlich nachmittags bei „ N24 Wissen“. Mal abgesehen davon, dass der Titel so originell wie eine graue Raufasertapete ist, so ärgerlich ist es auch, dass für Erklärungen kein Platz ist, wohl aber für Werbung. Und so hüpft (hoppla?) ungefähr 10 mal in 4 Minuten der grinsende Käptn Iglo ins Bild. Genau die gleiche Machart gibt es dann für Senf, Lego, Tiefkühlpizzas, Tiefkühlbaguettes, Tiefkühltorten, Tiefkühlpommes und Tiefkühlgemüse. Um das mal klarzustellen: hier geht es nicht um eine neutrale, objektive, gewissenhafte Aufklärung oder Information, hier geht es allein um Blabla und Geld. Dauerwerbesendung oder Zuschauerberieselung sind die korrekten Begriffe, wenn es um den Charakter solcher Formate geht. „Die Sendung mit der Maus“ ist komplexer, detailreicher und ausführlicher als das unglaubliche Gesabbel der Wissens-Reportagen … und letztere sind nicht für 7 Jährige gedacht. „Pseudo-Information-Coverage“ … noch so ein Trend, der Geld bringt, sonst aber gänzlich überflüssig ist. Und zu allem Überfluss Zeit raubt und vielen das Gefühl bringt, etwas zu wissen. Ganz gefährlich so was. Glauben Sie nicht? Glauben … ha, das passt. George B. aus A in T glaubt auch, seine uniformierten Freunde hätten präzise Waffen und wüssten, wer der Feind ist und wo er sich versteckt. Und das glauben auch die, die den George ins Amt wählten.
Gefahrenstufe: ganz ehrlich? Menschheitsvernichtend!

Apropos Menschheitsvernichtend: was ist der Unterschied zwischen „glauben“ und „wissen“? Das eine vermutet man, dass andere ist intersubjektiv nachvollziehbar. Und was ist mit „Aberglaube“? Eigentlich nichts weiter als widerlegter Glaube … also Quatsch. Stört das die Menschheit? Die meisten nicht, sie schmunzeln über Horoskope oder glauben sogar daran. Mitte der ’90er hat man einer Astrologin die Lebensdaten von Hitler gegeben, sie erstelle ein Profil mit Horoskop. Natürlich wusste sie nicht, dass es sich um den wahnsinnigen Ösi handelte und das hatte sie gemein mit den 100 Probanten, denen gesagt wurde, dass diese Ausarbeitung auf sie zugeschnitten wäre. Ein Service war kostenlos, aber nicht umsonst. Über 70 % erkannten sich wieder, nur knapp 10 % fanden keine wirkliche Übereinstimmung mit dem astrologischem Profil.
Das könnte man jetzt eigentlich so stehen lassen, spricht ja für sich. Es schreit sogar.
Aber das wäre zu einfach, denn dieses Phänomen ist so alt wie die Menschheit, daher kein neuer Trend, wohl aber, dass es im TV herzhaft ausgeweidet wird. Tele5 bringt Call-Ins zum Thema über mehrere Stunden, was „Astro TV“ macht, können Sie sich denken. Und warum funktioniert das? Weil die Anrufer einfach strohdoof sind? Ja natürlich, aber das reicht nicht aus: sie sind nämlich auch unkreativ, nicht selbstständig, suchen Hilfe, brauchen ein paar nette, aufmunternde Worte. Georg Gaffron würde jetzt wieder gegen Schröder wettern…
Mit schleimiger Artikulation, pseudo-wissenschaftlicher (was auch sonst) Präsentation und viel Naivität werden die Gerlinde, die Beate, die Monika und der Bernd abgezockt. Man könnte nun natürlich sagen: „Hey, sind die sind erwachsen und wenn die das so wollen …!?!?!“ Aber nur weil etwas gewollt wird, ist es noch lange nicht tragbar. Wir lassen doch auch keine alkoholisierten 80 Jährigen mit einem Traktor über den Spielplatz des hiesigen Kindergartens fahren … auch wenn Opa das ganz toll will.
„Astro-Shows“ im TV sind also der 3. Trend, im Gegensatz zu den vorherigen aber recht harmlos. Gefahrenstufe daher: nach unten nivellierend mit einer deftigen Portion Dummenfang, harmlos, aber ärgerlich.


Viel schlimmer wiegt, dass Astro-TV ein Teilphänomen einer viel größeren, komplexeren Bedrohung ist: die Abkehr vom Verstand, das Zuwenden zum Glauben. Und wo ein Glaube, da auch eine Religion … und die Kirche ist auch nicht weit weg. Wo die Hoffnung schwindet, wird der, der Hoffnung bringt, mit weiten Armen empfangen. Und so geht „The Call“ auf Schäfchenfang. Die christliche Rechte missioniert mit Pop-Kultur und Partymusik. So weit, so kein Problem, doch allzu bald wird die Bibel herausgeholt, Christus gepriesen und sukzessive der Verstand ausgeschaltet (so er noch vorhanden ist). Die USA sind ein Beispiel, die Janusköpfigkeit des katholischen Brasiliens, die Fundamentalisten im Nahen Osten schlagen in die gleiche Kerbe. Wo Emotionen herrschen, hat das Hirn nichts zu melden. Auch dieser Trend ist nicht neu, wohl aber seine Präsentation: multimedial, bunt, reißerisch, mit viel Schmalz und vordergründiger Freundlichkeit, Harmlosigkeit und Anständigkeit. Wo die katholische Kirche ihre massiven Probleme mit Dogmen hat, da haben die Evangelikalen eine mannigfaltige Auswahl bereitgestellt. Für jeden etwas. Die Polygamen gehen zu den Mormonen, die wiedergeborenen zu den Baptisten und wem das dann doch zu weit von der Bibel weg ist, der fällt in Extase, wenn ein erzkonservativer Inquisitor auf einem Jugendtag in die Kameras grinst. Homosexualität wird verteufelt, die Evolution ist eine Lüge, das einzig wahre Gesetz ist das Wort Gottes. Willkommen im Mittelalter!
Halten wir fest: Verstand weg, Glaube her … die De-Rationalisierung geht weg vom drögen Image hin zum Pop. Das ändert am Kern aber kein Stück, ist daher ebenso fatal.


Wenden wir uns dem Politischen zu: Merkel wird tatsächlich Kanzlerin, einen Monat steht die politische Führung im Nichts und siehe da: die Sympathie-Werte von Angie steigen. Sie macht nichts, wird aber beliebter. Ein unerklärliches Phänomen. Wie auch die Postulate, dass „das Volk eben so entschieden hat, CDU und SPD nun den Willen umsetzen müssen“. So kann man es sich auch zurecht basteln, real ist es natürlich der Kauf der Katze im Sack, denn was im Koalitionsvertrag steht, hat mit Volkwillen ja nichts zu tun. Oder kennen Sie jemanden, der eine MwSt von 19 % will? Und was ist mit der Pflegeversicherungskasse? Die wird im November leer sein. Ja leer, empty, nix mehr da, fertich … und was blubbern Glos und Steinbrück? „Klar, kümmern wir uns im Dezember drum“. DAS ist Politik. Wirklich. Aber mit Demokratie hat das nichts zu tun. Wie steht es mit dem Irak-Krieg? BND hin, Steinmeier her, die Überflugs- und Stationierungsrechte waren schon immer eine Beteiligung. Wollte das „Volk“ das? Nein!
Nun ist die Tendenz zur De-Demokratisierung nichts neues und prinzipiell auch nichts grundsätzlich schlechtes (Marokratie lässt grüßen), aber wenn die Führung gezielt gegen „das Volk“ vorgeht und so unfassbar idiotische Entscheidungen trifft, dann ist das eine Erwähnung wert. Ich nenne es in diesem Falle: große Koalition auf großem Konfrontationskurs. Dieser Trend ist im Oktober 2005 besiegelt wurden und hält in Phase 1 bis Ende 2007 an, dann kommt es zu Neuwahlen … und soll ich ihnen was sagen? CDU und SPD werden keinen Fatz besser abschneiden. Sie wissen ja, was das heißt.


Es gibt auch einen Anti-Trend-Trend: wo in den Industriestaaten die Konservativen nach zwischenzeitlichen Tiefs nun wieder auf ganzer Front zurück zur alten Macht kommen und das neoliberale Paradigma auf Teufel komm raus mitschleifen, da wird in Südamerika der Aufstand geprobt: gerade wurde Evo Morales (ein Indio!) in Bolivien zum Präsidenten gekürt und da er „links“ ist, passt er perfekt in den Trend: Brasilien, Argentinien & Venezuela schritten voran. Nun halte ich von diesem ganzen Rechts-Links-Gesülze natürlich nichts, aber es ist bemerkenswert. Als erstes hat Morales übrigens angekündigt, dass das größte bolivianische Erdgasunternehmen zukünftig sein Gas nicht mehr an Kalifornien verschenkt (naja, fast, absoluter Dumpingpreis) und verstaatlicht wird. Nun raten Sie mal, wem das gar nicht passt (kleiner Tipp: der eine ist Ausländer und fährt illegal Motorrad und der andere ist illegal ein „recht hohes“ Tier). Gefahrenpotenzial: leider verfallen Sozialisten allzu gern in diktatorische Schemata, doch auf Grund der aktuellen wirtschaftlichen Lage können weder Chavez noch Morales ein sozialistisches System aufbauen. Wenigstens hier ist der Kapitalismus mal zu etwas zu gebrauchen.


Doch kommen wir noch mal zum Fernsehen zurück, den Lightmedium, pardon Leidmedium, nee, halt Leitmedium natürlich. In Frankreich und Israel ist „Baby TV“ der Hit schlechthin. Fernsehen für die Zielgruppe von 0 bis 3 Jahren. Ist ja auch klar, denn die Krabbler sind mit Laufen-, Essen- und Sprechenlernen ja nicht ausgelastet. Baby TV startet in Kürze als Pay-TV-Angebot in Deutschland. Besorgte Eltern, Psychologen und alle Menschen, die ihr Hirn nicht brauchen, damit der Schädel nicht einfällt, schlagen Alarm. Die Teletubbies sind ja geradezu für Absbachuralte von 2 bis 4 Jährchen gedacht und auch hier gab es wilde Proteste, denn Lulu, Tuffi, Blödi und Deppi bringen etwas in unsere Welt, was keiner braucht: dummes Gebrabbel ohne Sinn und Verstand. Das an sich ist nichts neues, man riskiere einen Blick auf den kleinen, wahnsinnigen Österreicher, auf Arabella Kiesbauer oder Verona F., ein Novum aber ist die Zielgruppe. Eine, die beschützt werden muss, eine, die sich nicht wehren kann, eine, die enorm anfällig ist. Wer jetzt an die abergläubischen und unwissenden Menschen des Mittelalters denkt, hat natürlich Recht, aber die konnten wenigstens sprechen.
Sprechen und Arabella … auch so eine Kombination. Vor Jahren und vollkommen zu Recht von Pro7 gefeuert, tanzt die ewig joviale Österreicherin nun bei der Sendeschwester N24 an, zu einer weiteren Talk-Show. Damit wären wir schon beim nächsten Trend: obwohl „Britt“, „Vera am Mittag“ und Co. noch immer den White-Trash unterhalten, hat sich ein neues Format aufgemacht, die etwas intelligenteren zu jagen. „Berlin Mitte“, „Christiansen“ oder „Friedmann“ sind nichts neues, aber allein die Vielzahl an Sendungen und ihre enorme Medienpräsenz erfährt anno 2006 eine neue Dimension: es wird, so man den Plänen der Sender trauen kann, am Ende des Jahres knapp 30 (dreißig!) „Talks“ geben. Ja, „Talks“, denn „Shows“ ist es offiziell nicht. Jeder halbwegs seriöse Medienwissenschaftler nennt diese Sendungen aber natürlich weiterhin „Talk-Show“, denn wäre es ein seriöser, ruhiger, sachlicher „Talk“, würde es „Alpha Forum“ heißen. BR-Alpha kennt und empfängt aber nicht jeder und selbst wenn: hier kommen Sätze mit mehr als 10 Worten vor, mit Fachbegriffen und ohne Zwischenrufe eines gewissen Gregor G. Verwunderlich aber, dass Bettina Rusts „Talk der Woche“ (Sat1, Sonntag Abend) bereits abgesetzt wurde, denn dieser „Talk“ hatte alles, was Programmchefs so wollten: einE streitfreudigE ModeratorIN, Politiker und Einmischer, landläufig „Promis“ genannt. Dieser Flop nährt meine Hoffnung.
Baby-Terror und Talks sind an sich harmlos, aber da sie so erfolgreich sind und immer mehr Beachtung finden, wird die Politik ent-politisiert, ver-showed und die schwächsten Glieder der Gesellschaft werden frühzeitig ans TV gewöhnt. Gefahrenstufe daher: man züchtet TV-Junkies, die alsbald politisch fehlgeleitet werden. Politiker- und Politikverdrossenheit werden scharf zunehmen.


Falls Sie jetzt denken „Hey, das kommt mir alles bekannt vor, so neu ist das noch nicht, oder?“ haben sie nicht ganz Unrecht, denn der Wahnsinn geht immer und gern die neusten Wege (Zeitung -> Radio -> TV -> Internet) und die Machthaber bzw. Geldscheffler stürmen vorweg. Doch etwas als „neu“ zu verkaufen, funktioniert eben prima. So werden Schnittbretter als topmoderne Küchengeräte, Benzin-Direkt-Einspritzung als High-Tech und Kriege gegen Regime als notwendige Neuigkeit angesehen. Stimmt aber alles nicht! Der Homo Sapiens Sapiens ist ein so schrecklich vergessliches Wesen, welches so herrlich gern negative Vergangenheiten unterdrückt und sich die Welt „zurechtglaubt“ wie es ihm gerade passt. Warum sollte ich nicht einfach zum Islam wechseln, mir den Koran schnappen, in den USA einfallen und „Ich bringe euch Werte!“ schreien? Warum mache ich mich nicht selbstständig … also Astrologo … eine Ausbildung braucht man ja nicht. Oder ich lerne blind zu sein und Fakten zu verdrehen, bewerbe mich bei der BILD. Nein, ich bleibe lieber Trend-Kritiker … oder doch Scout? Die Farben des Mode-Sommers 2006 sind übrigens Apricot und Beige, für Männer werden dezente Strähnchen in den Haaren zur Pflicht, man darf wieder mit Kanonen auf Spatzen (Atom-Bomben auf Dörfer) schießen und Schulden sind nur dann Schulden, wenn sich jemand drüber aufregt. Wer Ende 2006 noch kein TV- oder Film-fähiges Handy hat, wird tierisch out sein, das gilt sowieso für Träger von Hüten.


Da wären wir dann auch beim letzten Punkt: „in und out“. Wer einen Trend verpasst, ist out. Wir Soziologen sprechen von „Zuschreibung“, also quasi das Assoziieren von negativen Aspekten gegenüber Mitgliedern einer Gesellschaft, die, aus welchen Gründen auch immer, einen Trend nicht befolgen. Und so dackeln unsere Spitzenpolitiker immer in dunklen Anzügen und hellen Hemden herum. Auseinanderhalten nur durch die Krawatte möglich. Wann wird wohl Matthias Platzeckseinen seinen Bart wegholzen? Juni? Juli? Wird der NPD-Wähler, der kein waschechter Neonazi ist, auch weiterhin als Protestwähler bezeichnet? Wird er vielleicht doch als Idiot oder Sympathisant tituliert? Wird Diether Bohlen weiterhin bei J.B.K. antanzen? Werden die Öffentlich-Rechtlichen ihre Info-Sendungen („Informationsauftrag“, siehe Rundfunkstaatsvertrag) noch weiter auf den späten Abend verlegen? Werde ich jemals in ein Fitness-Studio gehen? Wird Orthy jemals eine modische Frisur haben? Wird Bobo jemals kurze Aufmacher schreiben? Werden die RTL2-News jemals eine Nachrichtensendung sein? Wird noch in diesem Jahrzehnt ein ABC-Angriff auf den Iran erfolgen?

So viele Fragen. Es ist ja nicht alles schlecht. Das hängt aber primär damit zusammen, dass man einfach nicht alles wissen kann und irgendwie immer die Hoffnung besteht, dass das, was man nicht kennt, was Gutes ist.


PS: wenn Sie es tatsächlich geschafft haben, den ganzen Text zu lesen, sind Sie un-trendy. Finden Sie sich damit ab ;)

PS2: Sie warten doch sicherlich auf die großen Möpse, oder? Tatjana Gsell gibts im Penthouse zu sehen, "wie der Chirurg sie schuf" (Stern.de). Eklig, ne? Tja, Sie haben es so gewollt!


MFG „ist man trendy, wenn man Trends nicht mitmacht?“ IVI
C2005